Zweckverband legt neue Leitung im Rheintal
15. November 2016Erster Spatenstich für das Netz der Zukunft in Lenzkirch
12. März 2018von Dr. Hans-Joachim Bayer, TRACTO-TECHNIK
Ausgangssituation
Mössingen ist eine Kleinstadt (ca. 20000 Einwohner) im Landkreis Tübingen im Vorland der mittleren Schwäbischen Alb und erscheint immer wieder in den Medien aufgrund von Erdrutschereignissen. Die Schwäbische Alb ist ein tafelförmiges Mittelgebirge in Südwestdeutschland von 220 km Länge und Höhenlagen zwischen 640 m und 1015 m Höhe. Dieses Tafelgebirge bildet an seiner Nord- und Nordwestseite eine steile Kante von bis zu 400 m Höhenunterschied, während nach Süden und Südosten die Hochfläche der Tafel leicht pultartig geneigt ist und nur geringere Reliefunterschiede in Richtung Oberschwaben zeigt. Mössingen liegt unmittelbar vor der Steilkante der Schwäbischen Alb, die auch Albtrauf genannt wird. Die Albtraufregion weist seit Jahrhunderten Bergrutschereignisse auf und zwischen Geislingen an der Steige und dem Klettgau sind viele Erdrutsche bekannt. Kein Ort vor dem Albtrauf hat jedoch in den letzten Jahrzehnten so viele und so große Rutschung erlebt wie Mössingen. In mehreren Fernsehreportagen und zahlreichen Berichten wurde auf die Dimensionen der Bergrutsche und ihr Gefährdungspotenzial für benachbarte Siedlungen aufmerksam gemacht.
Bergrutsch von 1983
Am 12. April 1983 ereignete sich am Hirschkopf, einem Waldgebiet am Albtrauf direkt südöstlich der Kernstadt von Mössingen, einer der größten Bergrutsche in Deutschland seit 100 Jahren. Nach sehr starken Regenfällen lösten sich am Steilhang des Hirschkopfes auf einer Breite von 600 m unter lautem Getöse über 4 Millionen Kubikmeter Gestein ab und rutschten bis zu 1000 m weit in eine Senke zwischen dem Hirschkopf und dem benachbarten Farrenberg. Über 9 Millionen t Gestein waren am Albtrauf in Bewegung geraten und bildeten große rotierte Bergrutschschollen sowie eine darunter liegende Steinschuttwüste aus Geröllschuttmassen. Große Teile des sich hier befindlichen Waldgebietes wurden zerstört bzw. zusammen geschoben und in schräge Schollen verstellt. Die Steilwand des Hirschkopfes, welche bis 820 m Höhe reicht, wurde bis zu einer Hangleiste bis auf 720 m Höhe abgelöst. Da das Rutschungsgebiet „nur“ Wald betraf, wurden keine Sanierungsmaßnahmen ergriffen, sondern das gesamte Bergrutsch-Areal unter Naturschutz gestellt (Geotop und Biotop). In den Jahren danach konnte die Wiederbesiedelung der Steinschuttwüste durch die Natur bewundert werden.
Bergrutsche aus dem Jahr 2013
Die Steilkante der Schwäbischen Alb direkt südlich von Mössingen reicht bis 885 m Höhe, während der Stadtkern von Mössingen 410 m tiefer gelegen ist. Der Reliefunterschied am hier stark zerfurchten und zergliederten Albtrauf ist erheblich, Bergrutsche hat man jedoch eher im südwestlich benachbarten Hohenzollerngebiet vermutet, zumal dort Steigstraßen immer wieder rutschungsgeschädigt wurden. Nach tagelangen Regenfällen Ende Mai 2013, die bis zum 2. Juni 2013 reichten, kam es im Stadtgebiet von Mössingen zu fünf weiteren Erdrutschen am Albtrauf, wobei insbesondere unterhalb des Rossberges auf einer Fläche von 9 ha etwa eine halbe Million Kubikmeter Boden und Felsmassen oberhalb einer Siedlung in Bewegung gerieten. Diese Siedlung im Stadtteil Öschingen betraf den Bereich der sogenannten „Landhaussiedlung“, oberhalb derer auf einer Länge von 260 m mittlere Hangbereiche zum abrutschen kamen. Die Rutschung kam zwar weitestgehend oberhalb der Landhaussiedlung zum abklingen, die talwärts gerichtete Druckausbreitung der oberhalb bewegten Boden- und Felsmassen verursachten jedoch Untergrundverformungen, durch welche etliche Gebäude der Siedlung mehr oder minder stark beschädigt wurden. Die Siedlung musste evakuiert werden, Versorgungsleitungen wurden abgestellt, der Hang großräumig abgesperrt und sofortige Vermessungen und Luftbildbefestigungen durchgeführt. Zehn Wohnhäuser der Landhaussiedlung zeigten eindeutige Schubrisse und fortlaufende Vermessungen zeigten, dass kriechende Bewegungen am Hangfuß noch etwas anhielten. Es wurden daraufhin kurzfristig umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, um die Hangbewegungen aufzuhalten. Zu den Maßnahmen zählten die sofortige Beseitigung von Oberflächenwasser in Hangsenken durch Neuprofilierung und Anlage von Fließprofilen, durch Anlage von Sickergalerien mittels tief reichenden Kiespfählen zur großflächigen Dränage des Berghangs und die Installation umfangreicher Grundwassermessstellen sowie die Installation geodätischer und geotechnischer Messeinrichtungen. Nach Installation der großflächigen Dränage und nach Feststellung von Bewegungsstillstand am Hang konnte die Evakuierung aufgehoben werden. In den Jahren 2014 – 2016 wurden auch die betroffenen Gebäude in der Landhaussiedlung saniert (Einbau von biegesteifen Bodenplatten bzw. Untergeschossen und wartungsfähigen Dränagen), einige Gebäude wurden sogar abgetragen und komplett neu aufgebaut. Schon während der Anlage der Dränagen wurde ein langfristiges Konzept für alle rutschungsgefährdeten Hanglagen in Mössingen erarbeitet. Gerade in den Nachbarbereichen zur Rutschung oberhalb der Landhaussiedlung wurden auch leichte Bewegungs- und Kriechspuren in den Hanglagen festgestellt, die zur Erarbeitung von Entwässerungskonzepten geführt haben.
Dränage-Maßnahmen das langfristiges Konzept
Das geodätische und das ingenieurgeologische Monitorring der Albtrauflagen um Mössingen führte zur Erarbeitung eines langfristigen Maßnahmenkataloges durch das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg, Abteilung Ingenieurgeologie, und einem in der Rutschung Thematik erfahrenen privaten Ingenieurbüro. Ein wichtiger Teil dieses Maßnahmenkataloges sind Entwässerungsmaßnahmen in den kriech- und rutschungs-gefährdeten Hanglagen oberhalb der Wohnbebauung der Stadtteile von Mössingen. Neben den Hanglagen oberhalb von Talheim ist insbesondere der Stadtteil Öschingen unterhalb des Schönberger Kapfes (bis 801 m hoch) im Gewann „Auchtert“ dränagebedürftig, zumal hier ältere Rutschungsschollen Hangsenken bilden können, in denen nach Niederschlagsphasen eine Wasseransammlung entstehen kann. Damit dieses Wasser in Stausenken den Hang nicht unnötig durchnässen soll, wurden nun Dränagen so geplant, dass sie die tiefsten Bereiche der Stausenken durch geschlossene Dränagerohre direkt in tiefere Bereiche entwässern, in denen schon gut dimensionierte Entwässerungsleitungen vorhanden sind. Die Stausenken im Hang befinden sich mitten von wild bewachsenen Waldbereichen. Es sind keilförmige Senken von mehreren 10er Meter bis 100 m Länge und kreuz und quer darin wachsenden Bäumen. Da diese querriegelartigen Hangsenken oberhalb einer großen und sehr hochwertigen Wohnbebauung in Öschingen zu finden sind, wurde deren vorbeugende Dränage aus guten Gründen als dringlich bewertet.
Grabenloser Einbau von Hangdränagen oberhalb einer Wohnsiedlung
Erste Dränageleitungen zur Ableitung möglicher Regenwasser-Ansammlungen sollte noch im Jahre 2016 durchgeführt werden, auch wenn der Winter schon bald bevorstand. Zudem sollte der Einbau der Dränagen unter dem denkbar geringsten Eingriff in den sensiblen Hangbereich erfolgen, so dass die Auswahl auf ein minimal invasives und damit grabenlosen Bauverfahren fiel. Die Vergabe erging an die erfahrene Bau- und Bohrfirma Maier Bau aus Dettighofen (Lkr. Waldshut), welche im Landkreis Tübingen schon sehr anspruchsvolle Bauprojekte zu Rutschungssanierungen durchgeführt hatte. Oberhalb des östlichen Hangsiedlungsbereiches von Öschingen sollten zwei geschlossene Dränageleitungen vom 280 mm Außendurchmesser und von 110 m und 160 m Länge bei Gefälleraten von 39,4% (untere Hangstrecke) und über 45% (obere und längere Hangstrecke mit abschnittsweise bis zu 90% Gefälle !) 2 lange, querriegel-artige Hangsenken entwässern. Für die Dränagerohre wählte man bewusst PE 100 – RC-Material, zumal die Hangsituation im wesentlichen aus Hangschuttmassen, überwiegend bestehend aus splittigen Kalksteinstücken, aufgebaut ist. Zwar stehen am Auchtert-Berghang Gesteine des unteren und mittleren Weißen Jura (Malm) an, der Auchtert-Hang ist jedoch von splittigen Hangschuttmassen aus Weißjura-Kalkschotter überzogen. Erst in mehreren Zehner Meter Tiefe sind natürliche Weißjura-Gesteine (Mergelzonen und „wohlgeschichtete“ Bankkalke) anzutreffen. Die geplanten, senkrecht zum Hanggefälle angelegten Bohrstrecken, sollten jedoch bis in über 30 m Tiefe in den Hang hineinführen, so dass auch natürlich anstehende Gesteinshorizonte des Weißen Jura zu durchbohren sind. Um in dieser anspruchsvollen Geologie optimale Bohrungen durchzuführen, wurde von der Fa. Maier Bau ein Grundodrill 18 ACS mit Doppelgestänge eingesetzt. Die Bohrungen wurden unter Leitung von Herrn René Giese, einem sehr erfahrenen Bohrmeister, in recht kurzer Zeit mit einem Felsbohrmeißel für die Pilotbohrung und Hole Opener-Schritten für die Aufweitungen bis Mitte Dezember komplett und zur Zufriedenheit aller Beteiligten ausgeführt. Mit dem Einsatz der Grundodrill 18 ACS – Anlage verliefen die Arbeiten in diesen schwierigen Hangbereichen völlig komplikationsfrei, zuverlässig und vollkommen nach dem Bauzeitenplan.
Einlaufbauwerke und weitere Möglichkeiten
Nach der Fertigstellung der Steilhangbohrungen wurden zahlreiche geschotterte Randdränagen, Zulaufrinnen, Zulaufleitungen und Verbindungsleitungen im Auchtert-Hang installiert. Schon im zeitigen Frühjahr 2017 konntnen sowohl die Umfeldmaßnahmen abgeshlossen als auch die betonierten Einlaufbauwerke fertigstellt werden. Für Niederschlagsphasen bestehen nun deutlich bessere Entwässerungsmöglichkeiten als je zuvor, obwohl noch weiteres Optimierungspotential besteht. Nicht alle abflusslosen Hangsenken wurden bislang mit Dränagen versehen, sondern nur die größten. Die Hangentwässerung kann durchaus noch durch weitere grabenlose Dränagen ergänzt werden. Der Einsatz des GRUNDODRILL 18ACS hat gezeigt, dass dies auf wirtschaftliche und umweltschonende Art und Weise möglich ist.
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Der Spezialmaschinenhersteller TRACTO-TECHNIK entwickelt und baut Maschinen für die unterirdische Verlegung und grabenlose Erneuerung von Rohrleitungen. Die Kunden für diesen stetig wachsenden Markt kommen aus den Bereichen der Versorgung mit Gas, Wasser, Strom, Fernwärme und Telekommunikation sowie der Abwasserentsorgung. Ein weiteres Standbein des 1962 gegründeten Familienunternehmens sind Maschinen, Fertigungssysteme und Softwarelösungen für die Rohrumform- und Rohrbearbeitungstechnik. TT hat seinen Stammsitz in Lennestadt-Saalhausen und beschäftigt weltweit rund 500 Mitarbeiter.